Als die Würmer schwimmen lernten
(Danke für diesen netten Aphorismus)
Ethologisch betrachtet sind nur die höheren Lebewesen - an deren Spitze wir Menschen - des motorischen Lernens befähigt, also der Ausführung eines Vorgangs, der im wesentlichen durch das Zentralnervensystem (ZNS) gesteuert wird. Nereis succinea hingegen reagiert mit seinem Schwimmverhalten lediglich instinktiv und olfaktorisch auf die Pheromone, welche in statu nascendi einzig und allein zum Zwecke der Paarfindung und Fortpflanzung wirken und insofern auch als Soziohormone (Ethohormone) bezeichnet werden dürfen (Pos.1).
(Aber was macht die Würmer nun schwimmfähig, möchten einige Leserinnen und Leser gerne wissen?)
Die hinteren Parapodien von Nereis succinea sind besonders blattartig ausgebildet (Abb.1). Diese Notopodien sind orangefarben, erinnern irgendwie an Paddel und legen sich quasi „dachziegelartig" über die Dorsalseite des Wurmes. In dieser geschlechtslosen (atoken) Phase sind die Würmer äußerlich nicht voneinander zu unterscheiden. Man darf wohl annehmen, daß sich aus den kleineren Exemplaren später einmal die Männchen, aus den größeren hingegen eher die Weibchen entwickeln werden. Letztere im Sandwatt aufzuspüren und unter Laborbedingungen in geeigneten Glasröhrchen zu hältern meine eigentliche Absicht war. Bei deren Umwandlung zur geschlechtsreifen (epitoken) Heteronereis nimmt das kleinere Männchen nun plötzlich eine durch Spermien verursachte hellrote bis weißliche Körperfärbung an, während sich das größere Weibchen ursächlich seiner Gonaden in grünlicher bis bläulicher Gestalt zeigt. Beide Geschlechtspartner bilden im mittleren Teil des Körpers zusätzlich rotfarbene, weil stark durchblutete Schwimmborsten aus.
(Abb.2) Eine meiner Versuchsreihen brachte nach optimaler Hälterung plötzlich ein Weibchen von Nereis succinea hervor und damit den ersten, je unter Laborbedingungen künstlich entwickelten Heteronereis.
Das Glasröhrchen (Abbildung etwa 2,5 fach vergrößert) befindet sich in einer speziellen Meersalzlösung und ist zum Schutz des Wurmes vor Reflexion mit Kork ummantelt. Als äußeres Anzeichen seiner Erregung zeigt der Heteronereis stark vergrößerte Augen und ebenso stark ausgebildete Tentakelcirren. Dessen „Drang", das Röhrchen nun möglichst schnell mittels heftiger Schwimm- bewegungen verlassen zu wollen steigt unaufhörlich. In dieser Phase schüttet der tierische Organismus bereits eine hohe Konzentration an Pheromonen aus. Um so wichtiger war es für mich, durch regelmäßige Leifähigkeits- und Dichtemessungen die Salinität und Chlorinität des Hälterungsmediums exakt festzuschreiben, die Fütterung der Würmer einzustellen sowie durch Steuerung der Temperatur, Tageslichts- und lunaren Verhältnisse einen präzise eingestellten, möglichst lang andauernden Prozeß zu stimulieren.